„Kinder sind ein Hemmnis auf dem Weg zur wissenschaftlichen Karriere“

Auf einem Blick

Fachrichtung: Geschichtswissenschaften und Psychologie
Finanzierung: Stellen als wissenschaftliche Hilfskräfte, Lehraufträge, Stipendien, Mitarbeiterstellen (sowohl drittmittel- als auch grundfinanziert)
Anzahl Kinder: 2

Erfahrungsbericht

Wir freuen uns, den Erfahrungsbericht eines Elternpaares zu veröffentlichen, das während der Promotionsphase im Bereich der Geschichtswissenschaften und der Psychologie zwei Kinder bekommen hat. Beide standen am Anfang der Promotion, als das erste Kind geboren wurde und haben im Laufe der Zeit verschiedenste Möglichkeiten der Promotionsfinanzierung für sich genutzt. Im Bericht wird deutlich: Es ist alles andere als leicht, den eigenen Ansprüchen an eine Doktorarbeit zu genügen und gleichzeitig ein Familienleben zu stemmen. Das Ziel, eine wissenschaftliche Karriere anzustreben, rückt oftmals auf Grund der Rahmenbedingungen in den Hintergrund.

Beide Doktorarbeiten sind mittlerweile abgeschlossen – und die Mama hat sich aufgrund der Schwierigkeiten, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, gegen eine Karriere in der Wissenschaft entschieden. Sie ist an ihrer Universität auf eine (leider immer noch befristete) Halbtagsstelle in der Verwaltung/im Unimanagement gewechselt.

War die Promotionzeit für euch eine gute Phase um mit der Familienplanung zu starten?

Für unsere spezielle Situation und mit Fächern, für die außerhalb des Wissenschaftsbetriebs kaum Stellen existieren, gibt es biografisch keine ideale Phase, um mit der Familienplanung zu beginnen. Genug Geld für eine Familie hat man als Wissenschaftler in Deutschland sicherlich, aber wirklich abgesichert ist man durch den Stipendiums- und Befristungsirrsinn weder in der Promotionsphase, noch als Post-Doc. Trotzdem ist es gerade in dieser Zeit – Dank der hohen Arbeitszeitflexibilität im Wissenschaftsbetrieb – leichter, die ersten Jahre mit Kind unterzubringen. Das kommt natürlich auch auf das Fach an. Wenn man als Historiker monatelang in Archiven in weit entfernten Städten verbringt, ist das natürlich weniger ideal. Ansonsten ist die flexible, selbstbestimmte Arbeitszeit beim Promovieren schon ein großer Vorteil.

Wie hat euer Umfeld auf die Entscheidung reagiert?

Sowohl privat als auch beruflich waren die Reaktionen gleichgültig bis positiv, jedenfalls nicht negativ. Aber Elternschaft insgesamt ist ja auch eher positiv belegt. Wobei angemerkt werden sollte, dass in unserem unmittelbaren wissenschaftlichen Umfeld Eltern eher die Ausnahme als die Regel sind – und trotz aller anderslautender Beteuerungen bei kinderlosen Kollegen und Vorgesetzten wenig Verständnis dafür herrscht, wie es wirklich ist, Kinder zu haben. Man kann zum Beispiel nicht mal so einfach „ein Wochenende durcharbeiten“. Dass, wenn man Kinder hat, die Arbeit und die Karriere nicht mehr das Wichtigste im Leben sind, können offenbar nur wenige Kinderlose nachvollziehen. Aber wer kann sich Elternschaft vorstellen, bevor es so weit ist?

Wie seit ihr mit der Arbeit vorangekommen?

Unsere Arbeitsleistung ist nach der Geburt unseres ersten Kindes ziemlich heftig eingebrochen, was vor allem am gestörten Tag- und Nachtrhythmus liegt: Wir beide sind Eulen, also am Abend am Kreativsten und Produktivsten. Die Kinder zwangen uns aber zur Umstellung auf die Vormittagsarbeit, also entgegen unserer natürlichen Rhythmen als Lerchen zu leben. Dazu kommt die ständige Übermüdung in den ersten Jahren, die jedes konzentrierte Arbeiten erheblich erschwert. Und es wird nur wenig besser, wenn die Kinder dann älter werden…

Habt ihr eine Kinderbetreuung organisiert?

Bei beiden Kindern war die Mama ein knappes Jahr zuhause, dann der Papa für acht Monate, danach waren die Kinder halbtags (vormittags) für 4 Stunden in der Krippe. Vieles wäre ohne Oma und Opa in der Nähe (und obwohl beide berufstätig) einfach nicht organisierbar gewesen.

Wie ist die Realität mit Kindern unter dem Druck einer Promotion, die fertig werden muss?

Kinder sind ein Hemmnis auf dem Weg zur wissenschaftlichen Karriere, das ist schlicht und einfach so. Vielleicht kommt man noch zur Diss., aber man hat insgesamt viel weniger Zeit für andere wissenschaftliche Tätigkeiten, wie dem Verfassen von Aufsätzen, der Vernetzung und so weiter. Der Tag hat nur 24 Stunden. Da hilft auch gesteigerter Koffeinkonsum nicht.

Als „Doktorand mit Kind“ sieht man kinderlose Promovenden an sich vorbeiziehen. Da tickt dann eben nicht die berühmt-berüchtigte „biologische Uhr“, sondern die „biografische Uhr“ der eigenen wissenschaftlichen Karriere. Wir sind recht sicher, dass im Großen und Ganzen Kinder nicht nur in der „freien Wirtschaft“, sondern auch im öffentlichen Wissenschaftsbetrieb ein klares Karrierehemmnis sind. Die wenigen vorhandenen und erfolgreichen Wissenschaftlerpaare mit Kindern sind leider die große Ausnahme – ob nun aufgrund individueller Brillanz oder einfach nur durch viel Glück. Dessen sollte man sich, wenn man großen Wert auf die eigene Karriere legt, durchaus bewusst sein. Wir waren beide viel zu optimistisch, was die Vereinbarkeit vom Eltern- und Wissenschaftlersein betrifft!

Was würdet ihr in der Retrospektive anders planen?

Vielleicht früher Kinder in die Welt setzen? Womöglich spricht ein wichtiges Argument tatsächlich dafür, die Kinder möglichst früh (also so um die 20) zu bekommen: Je jünger man ist, desto weniger Routinen und Gewohnheiten hat man normalerweise, desto weniger Alltagsmarotten hat man. Das heißt, die Umstellung auf das Leben mit Kindern dürfte – zumindest theoretisch – leichter fallen. Andererseits ist natürlich auch die Elternschaft im BA- und MA-Studium nicht einfach. Für eine spätere Elternschaft spricht unseres Erachtens, dass man dann zumindest zumeist finanziell etwas abgesicherter ist und man – sofern diese in der Nähe wohnen – leichter auf die Unterstützung der Großeltern zurückgreifen kann, da diese dann mit höherer Wahrscheinlichkeit schon in Rente sind…

Weiterhin gilt beim Promovieren mit Kindern noch viel mehr als beim Promovieren ohne Kinder: Ein klares Promotionsthema, sehr deutlich abgegrenzt, dazu kein zu ausgeprägter Hang zum Perfektionismus und möglichst wenig Tendenz zur Prokrastination. Denn Familie und Kinder sind natürlich immer ein perfekter – weil sozial akzeptierter – Grund für eine Portion Aufschieberitis.

Wir haben ehrliche Hochachtung vor allen Paaren, die tatsächlich ihre eigenen familiären und wissenschaftlichen Ansprüche unter einen Hut kriegen, ohne dabei bittere Kompromisse eingehen oder die eigenen Ansprüche dramatisch nach unten schrauben zu müssen.

Wir sind immer auf der Suche nach neuen Erfahrungsberichten. Schreib uns einfach an mail@janinefunke.de

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