„Ganz passable Wissenschaftlerin“ und „Gut-genug-Mama“ tut’s phasenweise im Leben auch.

Auf einen Blick

Fachrichtung: Empirische Geisteswissenschaft
Finanzierung: Halbe Stelle an der Universität
Anzahl Kinder: 1

Erfahrungsbericht

Wir freuen uns den sehr interessanten und motivierenden Erfahrungsbericht einer promovierenden, alleinerziehenden Mama zu teilen, die gerade mitten in der Endphase der Doktorarbeit steckt. Nebenbei bloggt sie mit Herzblut zu den Themen Alleinerziehen und Minimalismus auf www.mama-minimalista.com.

War die Promotion für dich die ideale Phase um mit der Familienplanung zu beginnen?

Ich persönlich glaube, dass so etwas wie die „ideale Phase“ nicht gibt. Kleine Kinder versorgen und Erwerbs-/Studienleben sind zwei Bereiche, die oft nicht so recht kompatibel sind. Früher war ich von der Vereinbarkeitsidee sehr überzeugt. Inzwischen erlebe ich, dass es manchmal nicht so recht zusammenpasst. Und zwar immer dann, wenn irgendwas nicht rund läuft – das Baby ist vielleicht fordernder als die meisten, ist möglicherweise nicht ganz gesund, der Partner fällt plötzlich als Unterstützung aus (wofür es viele Gründe geben kann) … dann wird es oft phasenweise sehr schwierig. Man darf sich in einem solchen Fall dann den Schuh der „mangelnden Organisation“ nicht anziehen.

Nichtsdestotrotz gibt es natürlich günstigere oder ungünstigere Bedingungen für eine Familiengründung. Für mich war damals die Promotionsphase insofern perfekt, als dass die Arbeit an der Universität mir große Flexibilität ermöglicht. An den meisten Universitäten gibt es keine Stechuhren und man kann zeitlich flexibel arbeiten. Da mein Dissertationsprojekt nicht mit anderen Projekten zusammenhängt, ist niemand anderes davon abhängig, ob ich mit meiner Arbeit weiterkomme oder nicht. Außerdem – so hoffe ich – interessiert es später niemanden, ob ich 3,4 oder 5 Jahre für die Doktorarbeit gebraucht habe. Zumindest auf dem Papier habe ich nämlich keine Unterbrechung. Auf der einen Seite ist eine Universität also ein progressiver, flexibler Ort – auf der anderen Seite bin ich ein ziemlich Exot unter den Kollegen. Vor allem als alleinerziehende Mama.

Wie hat dein Arbeitsumfeld auf die Entscheidung reagiert?

Das war eigentlich sehr positiv. Mein Doktorvater ist plötzlich großväterlich besorgt gewesen und hat mir direkt Tipps gegeben, wie „Trinken Sie nun keinen Schluck Alkohol mehr!“. Ich hatte sehr große Ambitionen, in der Schwangerschaft noch viel zu schaffen, da ich so eine Ahnung hatte, dass es danach nicht immer so reibungslos laufen würde. Mein Doktorvater hat mich da unterstützt und das Projekt mit mir zusammen ordentlich angeschoben. Meine Kollegen waren ausnahmslos verständnisvoll. Die Kollegin, die mit mir das Büro teilt, hat es netterweise „übersehen“, wenn ich zu Beginn der Schwangerschaft auf der Arbeit eingeschlafen bin… Außerdem ist öfter mal jemand eingesprungen, wenn ich eine Lehrveranstaltung nicht halten konnte, weil mein Kind krank war.

Ich sehe schon, dass ich aufgrund meiner Mutterschaft besondere Privilegien zugestanden bekomme, die meine Kollegen nicht genießen. So muss ich beispielsweise als einzige nicht zu einem wöchentlichen Kolloquium, das nachmittags stattfindet, da ich da keine Kinderbetreuung habe. Auf der anderen Seite habe ich auch Diskriminierung erlebt: Ich war nämlich ebenfalls die einzige von vier Kollegen, die keine Stundenerhöhung angeboten bekommen hat. Zu dem Zeitpunkt war ich noch nicht getrennt und die schwierige Babyphase war schon vorbei. Eigentlich ein guter Zeitpunkt, um wieder richtig einzusteigen. Begründung: „Sie sind Mutter. Das schaffen Sie doch gar nicht.“ Tja. Soll man sich nun dagegen wehren? Mit dem ansonsten unterstützenden Doktorvater will man es sich nun mal nicht verscherzen.

Wie bist du mit der Arbeit vorangekommen?

Sehr produktiv war die Zeit der Schwangerschaft, nachdem die anfängliche Übelkeit abgeklungen war. Ich hatte den Ehrgeiz, noch möglichst viel zu schaffen, damit ich gar nicht erst in Versuchung geraten würde, die Doktorarbeit nicht zu beenden. Seit der Geburt meines Sohnes geht alles sehr langsam voran. Mein Sohn war ein sehr forderndes Baby, er war motorisch extrem früh entwickelt (Krabbeln mit 5 Monaten und Laufen mit 8,5 Monaten) und brauchte sehr viel Anregung, gleichzeitig sehr viel Regulationshilfe. Er schlief schlecht. In den ersten 12 Monaten wachte er jede Nacht alle 1,5 bis 2 Stunden auf. Da liest die müde Mama tagsüber dann keine wissenschaftlichen Artikel mehr!

Dann kam die Trennung – mitten im Umzug. Das war der Horror! Leider verlief die Trennung auch nicht sonderlich friedlich. Der Umgang mit meinem Exmann ist für mich heute immer noch oft belastend, obwohl sehr viel getan habe, um alles einvernehmlich zu regeln. Aber ich finde Wege, damit umzugehen und habe schon einiges erreicht. In solchen sehr anstrengenden Phasen habe ich nicht mehr geistig stark beanspruchende Dinge bearbeitet, sondern beispielsweise an der Datenerhebung weitergemacht, viel gerechnet und Daten geordnet. Manchmal ging auch gar nichts mehr.

Aber es geht doch voran. Ich rate allen Müttern, die vielleicht in einer schwierigen Situation sind, nicht aufzugeben. Hinnehmen, dass es länger dauert und sich nicht die Schuld dafür geben. Weitermachen. Steter Tropfen höhlt den Stein!

Inzwischen geht es mir deutlich besser und die geistigen Ressourcen sind wieder da. Die Hypothesen und die Ergebnisse stehen. Die Daten sind vollständig. Ich lese (und verstehe) wieder wissenschaftliche Literatur und plane, zum Oktober 2018 hin die Dissertation abzugeben, was ich für realistisch halte. Vieles wird leichter– einfach nur, weil das Kind älter und daher stabiler wird, z.B. irgendwann nachts durchschläft. Da muss man manchmal gar nichts tun, außer Geduld haben.

Also hast du dir schnell eine Betreuung organisiert?

Mein Sohn geht zu einer sehr lieben Tagesmutter. Er hat einen 35-Stunden-Platz, den wir nicht mal ausschöpfen müssen. Das klappt inzwischen sehr gut. 2-3 Tage pro Woche ist er beim Papa. Da habe ich dann tatsächlich mal Zeit, länger zu arbeiten. Ich muss aber auch zusehen, dass ich mich in diesen Zeiten erhole. Den Rest der Woche kann ich es mir nämlich nicht erlauben, auch nur eine einzige Minute zu schwächeln. Voll reinhauen in der kinderfreien Zeit – das kann ich nicht. Ich muss langfristig denken und darf meine Reserven nicht aufbrauchen. Zumal der Kindsvater das Kind zwar gut betreut, sich aber ansonsten um wenig kümmert (Arzttermine, Kinderklamotten, Kindergärten suchen, etc…). Und dann gibt es halt niemanden, der mir etwas von der Alltagsorganisation abnimmt (z.B. Reifenwechsel, Papierkram, Einkaufen…) So etwas erledige ich oft in der kinderfreien Zeit.

Was ich dem Kindsvater allerdings zugutehalten muss: Er nimmt unseren Sohn problemlos, wenn ich alle paar Monate einige Tage auf einen Kongress fahren muss. So kann ich an diesen wichtigen Veranstaltungen teilnehmen! Das ist ein großer Vorteil. Weitere Betreuungsunterstützung habe ich leider nicht. Die Großeltern leben weit weg, bzw. sind voll berufstätig. Für Babysitter fehlt mir das Geld. Dennoch hat es sich ganz gut eingependelt. Mein Vertrag wurde letzte Woche um weitere zwei Jahre verlängert! Dieser Zeithorizont entlastet mich unwahrscheinlich und ich bin sehr zuversichtlich, dass ich bis dahin den Doktortitel habe und meine Bedingungen weiter verbessern kann, um einen guten Job zu finden.

Hattest du dir das Leben als Doktorand*in mit Kind so vorgestellt, wie es letztendlich aussah?

Da kleine Kinder mir überhaupt nicht fremd waren, als ich Mutter wurde (mein Bruder ist 12 Jahre jünger, meine Schwester hat vor mir Kinder bekommen), hatte ich eine recht realistische Vorstellung, dass es nicht immer so easy-peasy läuft. Womit ich nicht gerechnet hatte: dass mein Exmann mich so hängen lässt. Mit einem unterstützenden Partner wäre es natürlich einfacher gewesen. Da wäre ich bestimmt schon fertig mit der Dissertation!

Mama Minimalistas Tipps für Promovieren mit Kind
(mit oder ohne Mann):

Wenn es schon für alleinstehende Doktoranden wichtig ist, sich Pufferzeiten für das Dissertationsprojekt einzuplanen: Mit Kindern im Schlepptau werden diese ein Muss. Es kann allerhand Unvorhergesehenes dazwischenkommen: Kinderkrankheiten, Schwierigkeiten mit der Kinderbetreuung, Übermüdung durch ein Schreibaby und dadurch mangelnde geistige Ressourcen – und und und… Mit genügend zeitlichen Spielräumen kann man da zumindest einen Teil solcher Krisen gut abfedern.

Wenn es in deiner Fachrichtung/Abteilung kein absolutes No-Go ist: Ruhig den Betreuer der Dissertation und die Kollegen darüber aufklären, wenn sich Schwierigkeiten ergeben. Dass meine Kollegen darüber Bescheid wussten, dass ich mich phasenweise überhaupt nicht auf den Kindsvater verlassen konnte und jederzeit damit rechnen musste, das Kind doch selbst aus der Betreuung abzuholen, hat mir sehr geholfen. Ich musste nicht viel erklären und habe kurz Bescheid gegeben, wenn ich meine Pläne kurzfristig ändern musste.

Gehen immer vor. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich in akuten Erschöpfungsphasen eh nichts Tolles fabriziere. Nimm dir lieber etwas Erholungszeit, wenn möglich und du wirst die „verlorene“ Zeit in nukommanichts wieder wettmachen, sobald du wieder bei Kräften bist, als wenn du auf Halbmast weitergekämpft hättest.

Auch, wenn es manchmal scheint, als würde man nie fertig: Irgendwann wird es auch wieder leichter. Vielleicht hilft es auch, wenn man mal seine Ansprüche an sich als Elternteil und auch an sich als Wissenschaftler mal etwas herunterschraubt. Nicht alles, was man in seiner Dissertation schreibt, muss weltbewegend sein und man muss auch nicht Super Mom sein. „Ganz passable Wissenschaftlerin“ und Gut-genug-Mama tut’s phasenweise im Leben auch.

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